Ende der 1990er Jahre machten sich Wohnungsunternehmen in Deutschland zum ersten Mal aktiv Gedanken über ihre Medienversorgung und schlossen sich u.a. zu regionalen Breitbandkabelgesellschaften zusammen. Knapp 20 Jahre später eröffnen verschiedene technologische, regulatorische und Marktentwicklungen ganz neue Handlungsoptionen.
Wer über Werterhalt und -steigerung von Wohnimmobilien spricht, kommt an Hochleistungsnetzen für breitbandige Internetzugänge nicht vorbei. Wohnungsunternehmer und ihre Mieter sind zentrale Stakeholder digital vernetzter Städte. Dabei wird fast alles an Signalen und Inhalten wird über regionale Verteilnetze herangeführt, Schwerpunkt milliardenschwerer Förderprogramme des Bundes. Der Koalitionsvertrag vom Herbst 2017 sieht in diesem Zusammenhang vor: "Glasfaser in jeder Region und jeder Gemeinde, möglichst direkt bis zum Haus".
Smart-City / Gigabitgesellschaft
Menschen, Maschinen, Dinge und Prozesse werden immer mehr nahtlos miteinander vernetzt. Autonomes Fahren oder 5G-Mobilfunk, neue Dienste wie Nachbarschafts-Apps, Mobilitätscards für Leih-Autos, kommunales WLAN oder Telemedizin: Digitale Infrastrukturen gelten heute als entscheidender strategischer Standortfaktor. Mit den Smart-City-Konzepten sind auch Wohnungsunternehmen zunehmend gefragte Partner.
DigiNetzG
Seit gut zwei Jahren rückt das DigiNetzG erstmals den Endkunden in den Fokus. Neue oder "umfangreich renovierte" Gebäude sollen mit "hochgeschwindigkeitsfähigen passiven Netzinfrastrukturen sowie einem Zugangspunkt zum übergeordneten Backbone" ausgestattet werden. Mit Backbone sind die Glasfaserzuleitungen gemeint, "passive Netzinfrastrukturen" sind insbesondere Leerrohre, Revisionsschächte oder Steigleitungen. Fremde Netzbetreiber haben das Recht auf Installation eines "Wohnungsstichs" im Gebäudekeller, genauso wie sie bereits bestehende Netzinfrastrukturen innerhalb eines Gebäudes mitnutzen dürfen. Ist ein bestehendes Netz nicht leistungsfähig genug, kann es zur Verlegung eines parallelen Glasfasernetzes durch einen dritten Provider/Carrier (auf dessen Kosten) kommen.
Koaxial kommt an seine Grenzen
Der Bedarf an Bandbreite wird künftig stark ansteigen (siehe Abbildung 1). Das klassische Koaxialkabel wird trotz Aufrüstung ca. 2025 an seine physikalische Leistungsgrenze stoßen. Treiber der wachsenden Breitbandnachfrage sind u.a. neue TV-Angebote wie Ultra-HD-TV (8K), Smart TV oder Streaming, Smart Home oder E-Health. Die Frage ist weniger, ob man auf Glasfaser umstellen soll, sondern wann.
Remonopolisierung des Kabelmarktes
Aktuell läuft das Übernahmeverfahren von Unity Media durch Vodafone Kabel Deutschland. Wettbewerber und Wohnungswirtschaft fürchten Wettbewerbsverzerrungen und steigende Preise. Auch wenn die beiden Unternehmen aufgrund ihrer territorialen Abgrenzung bislang nicht unmittelbar im Wettbewerb miteinander standen, konnte man ihre Angebote miteinander vergleichen.
Interessenlagen
Die Wohnungsunternehmen sind zwar Besitzer der Netzinfrastruktur, haben aber während der Laufzeit von Gestattungs- oder Pachtverträgen mit den Kabelnetzbetreibern keinen Einfluss auf Inhalte und Programmgestaltung. Die Investitionsbereitschaft ist allgemein verhalten, da die aktuelle Koax-Infrastruktur den Bedarf im Moment noch decken kann und abgeschriebene Kabel die höchsten Deckungsbeiträge erwirtschaften. Mieter hingegen wünschen sich zunehmend die freie Wahl des Telefonie- und Internetproviders, um beste Preis-Leistungs-Verhältnisse nutzen und sich Extras wie Pay-TV, HD-/Ultra HD-Angebote leisten zu können. Hohe Empfangsqualität, auch in HD- und Ultra HD, eine Vielfalt an Fernsehsendern genauso wie ein breites fremdsprachiges Angebot und möglichst geringe Störanfälligkeit stehen desweiteren hoch im Kurs.
Open Access - viel beschworen, noch selten umgesetzt
Kabelnetze wurden in Deutschland bislang quasi als natürliches Monopol angesehen, offene Zugänge durch Dritte (externe Carrier und Provider) nur selten realisiert. Beispiele aus Schweden (siehe Abbildung 2) oder Südafrika zeigen, wie sich Investition von Betrieb und Inhalten wertschöpfend trennen lässt. Die Vorteile: mehr Wettbewerb und Vielfalt bei den Breitbandangeboten, mehr Einfluss der Wohnungsunternehmen auf Programme und größere Wahlmöglichkeiten für den Mieter.
Empfehlungen
Rund zwei Jahre bevor ein Gestattungsvertrag mit einem Kabelnetzbetreiber ausläuft, haben Wohnungsunternehmen die Chance, ihre Position bzgl. der Breitbandinfrastruktur und den damit zusammenhängenden Geschäftsmodellen neu zu definieren. Zentrale Aspekte sind:
- Auf- und Umrüstung auf FTTH (Glasfaser bis in die Wohnung) im Neubau und bei Sanierungsmaßnahmen forcieren, fairer Lastenausgleich bei Fremdinvestoren
- Perspektivisch Eigentum an den (neuen) FTTH-Netzen der NE 4 sichern
- Inhalte, Angebot und Preise mitbestimmen
- Preisvorteil für die Mieter sichern mit der Option, eigene gebrandete Dienste anbieten zu können
- Open Access soweit möglich vertraglich sichern
- Smart Meter Gateways an die Netzinfrastruktur via Sammel-WLAN anbinden
- Optisches SAT-TV als preiswerten und qualitativ hochwertigen Lieferanten für TV-Signale prüfen; Lösungsalternative, wenn das Sammelinkasso der TV-Grundversorgung in Netz- und TV-Entgelte (bei SAT-TV kostenlos) aufgespalten wird
- Ansprüche Dritter auf Basis DigiNetzG durch Leistungsstärke elegant und flexibel abwehren
- Steuerliche Aspekte von Joint Ventures prüfen (gewerbesteuerliche Kürzung)
- Bauherrenmappe mit technischer Dokumentation vertraglich sichern (wichtig auch für die Eröffnungsbilanz bei Rückfall des Eigentums an der NE 4)
- Ratsam: kaufmännische und technologische Alternativen ergebnisoffen prüfen, ggf. durch externen Sachverstand
Fazit
Wenn es um Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit geht, führt an Glasfaser in Verbindung mit offenen Zugängen im Grunde kein Weg vorbei – genauso wie SAT-TV die beste Wahl für eine moderne Medienversorgung ist. Schließlich bringt die Kombination von Satellit und Glasfaser klare Vorteile: Schon eine Antenne versorgt bis zu 10.000 Wohneinheiten – in verschiedenen Häusern über große Entfernungen hinweg, ohne Signal- und Qualitätsverlust und zu interessantem Preis. Denn mit einer SAT-Anlage lassen sich im Vergleich zur Fernsehversorgung via Kabel 30 bis 60 Prozent der Kosten sparen. Wohnungsunternehmen sind – im Sinne von Wohnwertsteigerung und Mieterzufriedenheit – in Zukunft also mehr denn je als zentrale Akteure in Ausbau und Betrieb von Gebäudenetzen gefragt.